Während der sogenannten „Goldenen Woche“, einer Ferienperiode, die es in China sowohl im Frühling als auch im Herbst gibt, strömten Tausende Tourist:innen Anfang Mai in den berühmten Sommerpalast von Peking. Zu bestaunen ist dort neben anderen architektonischen Meistwerken das Marmorschiff „qing yàn fǎng“ (chinesisch: 清晏舫, dt.: „klares und friedliches Schiff“) am Ufer des Kunming-Sees. Es ist einerseits ein beliebtes Fotomotiv und architektonisches Highlight aus der Kaiserzeit, andererseits wird das Schiff oft auch als ein Symbol verpasster Modernisierung und unkluger Investitionen gewertet. Das im 18. Jahrhundert erbaute Marmorschiff wurde nach der Zerstörung des Palastes im Zweiten Opiumkrieg zwischen 1885 und 1895 restauriert. Kaiserin Cixi ließ es dabei im Stil eines europäischen Raddampfers mit Schaufelrädern an den Seiten umbauen und als Teehaus nutzen. Seinem Namen wird das Gebilde dabei nicht ganz gerecht, denn im Gegensatz zu echten Schiffen kann es nicht fahren und liegt fest verankert im Wasser. Außerdem besteht nur der Unterbau aus Marmor. Der Oberbau wurde aus Holz gefertigt und kunstvoll in Steinoptik bemalt. Die Renovierung wurde von der Kaiserwitwe mit Geldern finanziert, die eigentlich für den Aufbau einer modernen Marine vorgesehen waren. So entpuppte sich das Marmorschiff als fatale Fehlinvestition für das Kaiserreich der Qing: Als 1900 der Boxeraufstand ausbrach, fehlte China eine schlagkräftige Flotte. Und die Qing-Dynastie fand wenig später ihr Ende.


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